Die Wandlung der Libelle

Das Wunder von Geburt… und Wiedergeburt?

Wenn im Frühling die Larven aus dem Ei schlüpfen, wird in der materiellen Wasserwelt ein Räuber geboren. Gefräßig und ewig hungrig, ist die Libellenlarve für alle Lebewesen ihrer Größe tödlich. Sie ist ein Tiger der Tiefe. Kaulquappen die wesentlich größer sind als sie, sterben, wenn sie von dieser Killerlarve angefallen und ausgesaugt werden. Im Laufe der Zeit vollendet sich der natürliche Zyklus, und die Larve klettert auf einen Stein oder hält sich am Schilfgras fest, wo sie der lichteren Atmosphäre der Luft ausgesetzt ist. Anschließend erfolgt die Metamorphose. Es kommt der Augenblick, wo die Hülle der Larve platzt und eine Libelle triumphierend ans Licht der Welt tritt. Eine Pause… einige wenige Stunden, um kräftige Enzyme durch die Flügel zu pumpen, Zeit, sie zu trocknen, zu festigen und zu stärken…, und dann erhebt sich ein neues Geschöpf in die Lüfte. Hat die Larve in der Welt des Wassers um die nahende Geburt gewusst, die sie in die feine Welt der Luft führen würde? Hatte die Libelle irgendeine Erinnerung daran, dass sie der Wasserwelt im Tod entging, um in eine Welt der Luft hineingeboren zu werden?

Wissen wir, woher wir geboren werden?

Werden wir im reinen Licht des Geistes wiedergeboren? Erheben wir unsere Schwingen, um mit der großen Kraft, die uns die Meisterung des Denkens verliehen hat, aufzusteigen, frei, um uns von Höherem zu nähren, frei, um im Sonnenlicht des SEINS zu baden?

Beschließen wir vielleicht in unserem Streben nach Vervollkommnung, wieder von neuem in die Welt der Materie einzutreten für ein kürzeres oder längeres Verweilen, weil wir die Sehnsüchte und Ängste beseitigen wollen, die diese dichte Atmosphäre durchtränken und unsere Gedanken und Handlungen vergiften?

Könnte es sein, dass wir die Libellen des Universums sind, vertieft in das kosmische Spiel einer selbst erschaffenen Welt, nach Reinigung und Klärung strebend, welche nur durch Erfahrung möglich sind?

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Literatur: Michael Roads, Mit der Natur reden, Ansata Verlag, 1989, HEYNE TB Verlag

Bild: Michael Glass